Pressemitteilung der Internationalen Akademie der Wissenschaften (AIS) San Marino, 2000-10-17


Fünfzig Jahre Turing-Test

Vor genau fünfzig Jahren erschien in der Oktober-Nummer der psychologischen Fachzeitschrift "MIND" ein Artikel von Alan M. Turing unter dem damals provokativen Titel "Computing Machinery and Intelligence" ("Rechenapparate und Intelligenz"). Alan Turing, der als einer der Väter der modernen Informatik betrachtet wird, stellte dort einen Test vor, der zu entscheiden erlauben sollte, ob eine Maschine Intelligenz aufweist. Der Test ist eine Art Fragespiel, bei dem die Maschine versuchen soll, Antworten zu geben, wie man sie von einem intelligenten Menschen erwartet; Turing nannte seinen Test daher das "Imitationsspiel". Wenn der Fragesteller außerstande ist zu entscheiden, ob er mit einem Menschen oder einer Maschine spricht (oder vielmehr per Tastatur schreibt), sollte das als Zeichen für Intelligenz gewertet werden.

Das "Imitationsspiel" wurde inzwischen unter dem Namen "Turing-Test" in Fachkreisen berühmt. Turing stellte in seinem Artikel die These auf, nach fünfzig Jahren werde ein Rechner mit einer Kapazität von 10 Milliarden [bit] in der Lage sein, das Imitationsspiel so gut zu spielen, dass ein durchschnittlicher Frager nach einem "Interview" von fünf Minuten noch in 30 % der Fälle die Maschine für einen Menschen halten würde.

Obwohl der Turing-Test wenig praktische Bedeutung erlangt und noch niemand einen Computer speziell für dieses Spiel programmiert hat, hat Turings Artikel das psychologische und philosophische Weltbild entscheidend verändert, da er als Erster ausdrücklich vorschlug, Intelligenz nicht nach ihrer Quelle (Gehirn, Geist, Seele) zu beurteilen, sondern ausschließlich nach ihrem beobachtbaren Verhalten. Sogar Gegner seiner damals aufgestellten These, ein Digitalrechner könne eine dem Menschen vergleichbare Intelligenz zeigen, erkennen seinen Test im Prinzip an, so etwa Physiknobelpreisträger Roger Penrose, der glaubt, dass im menschlichen Gehirn möglicherweise physikalische Prozesse ablaufen, die sich in Digitalrechnern nicht nachbilden lassen.

Aus Anlass des Jubiläums von Turings Artikel hat die Internationale Akademie der Wissenschaften (AIS) San Marino mit dem Verlag Oxford University Press, dem Herausgeber von MIND, eine Vereinbarung geschlossen, nach der sie den Artikel ein Jahr lang im Internet in einer Esperanto-Übersetzung zeigen darf, um auf diese Weise einem noch weiteren Leserkreis den Zugang zu dem Text zu ermöglichen. Die Übersetzung ist unter folgender URL zugreifbar:

http://www.forst.tu-muenchen.de/EXT/AIS/scio/turing/TuringEo.html

Reinhard Fössmeier
Informationsamt der AIS
Die Pressemitteilung führte u. a. zu einem Artikel in der Computer-Zeitung 49/2000 (S. 10).